Carl-Josef Kutzbach
 
Keine Zeit...
zum Sterben
 
 
Als ich eines Tages meinte lang genug gelebt zu haben und mir vornahm am nächsten Morgen einfach nicht mehr aufzuwachen, legte ich mich abends zufrieden ins Bett.
Schon wäre ich fast am nächsten Morgen nicht mehr aufgewacht, aber als ich beinahe eingeschlafen war, fiel mir ein, dass ich ja erst noch das ausgeliehen Buch zurück bringen sollte, ehe ich in Ruhe sterben könne. Na gut, sterben könne ich ja auch noch übermorgen, dachte ich mir und verschob meinen Vorsatz.
Am nächsten Tag bekam ich eine Flasche Wein geschenkt, die konnte ich unmöglich an einem Abend mit Genuss austrinken. Dann fiel mir ein spannendes Buch in die Hände, na das Ende musste ich natürlich auch noch lesen. Am Tag darauf hatte ich eine Idee für eine nette Geschichte, die ich unbedingt noch fertig schreiben wollte. Beim Einkaufen hatte ich meinen Vorsatz vergessen und kaufte mehr ein, als ich am Abend essen konnte. Aber die Leckereien verderben lassen, nein das ging ja nun auch nicht. Dann lud man mich zu einer Veranstaltung ein, die mir viel zu denken gab. Mal kam ich abends so erschöpft nach Hause, dass ich sofort in den Schlaf fiel. Und so ging das immer weiter, kurz, ich fand nie die nötige Muße zum Sterben und darum lebe ich heute noch.
 
Notiert 23.3.2019