Carl-Josef Kutzbach
 
Wie Teekochen ausartet
 
An einem kühlen Septemberabend wollte ich mir eine Kanne Tee mit Kluntjes einverleiben. Im Nu hatte ich Wasser in den Pfeifenkessel gefüllt, den Herd geöffnet...  Aber was war das? Die Abdeckplatte des Gasherdes vollführte ungewohnte Bewegungen.
Also Teewasser abgestellt und nachgesehen. Die linke stiftförmige Schraube, die dem Herddeckel als Angel dient, fehlte. Wahrscheinlich hatte ich sie beim Öffnen und Schließen im Laufe der Zeit unbemerkt heraus gedreht. Dann musste sie ja eigentlich leicht zu finden sein. Nur leider beginnt direkt neben dem Herd die hölzerne Arbeitsplatte auf einem Unterschrank.
Also erst einmal den Herddeckel abgehoben und beiseite gestellt. Dort, wo man sonst beim Putzen nicht hin kommt prangte jetzt ein fettiger Schmierstreifen. Drum Schwamm mit Wasser und Putzmittel zur Hand und gescheuert, bis die Stelle wieder einwandfrei glänzte.
Dann versuchte ich den Herd, so weit wie möglich nach rechts zu heben, wo eine knappe Handbreit Spielraum ist, in den immer wieder irgendetwas hinein fällt. Das ging aber nicht, weil der Gasschlauch spannte. Also den Gashahn geschlossen, den Anschluss gelöst, die Töpfeschublade aus dem Herd genommen, damit er leichter werde und noch mal angehoben und zur Seite gerückt.
Diesmal entstand ein Daumenbreiter Spalt in dem sich der Dreck der Jahrhunderte gesammelt zu haben schien. Auch unter der Herdschublade sah es ziemlich staubig aus. Also erstmal mit dem Handfeger aufgekehrt und eine Taschenlampe geholt, um in dem Spalt nach der Schraube zu suchen. Ihr Glanz verriet sie zwischen Reiskörnern, Staubflusen, Nudelresten und was sonst noch alles zwischen Herd und Arbeitsplatte den Weg in die Tiefe gefunden hatte. Mit einem Bambusstab gelang es mir sie vorsichtig nach vorne zu bewegen, wobei sie noch mal unter dem Herd zu verschwinden versuchte. Also den noch mal ein wenig verrückt. Schließlich hatte ich sie.
Nun galt es den Herd wieder an die richtig Stelle zu bugsieren, auf die Linoleumscheiben, die hinten, wo man sich das Linoleum gespart hat, für den Höhenausgleich sorgen. Es gelang ohne die Finger einzuklemmen. Mit einem passenden Schraubenzieher aus der Werkzeugkiste versuchte ich die Schraube durch die Öffnung im Deckel des Herdes wieder einzudrehen. Das war leichter gedacht, als getan. Da sie wieder in die Tiefe zu fallen drohte, deckte ich den gefährlichen Spalt mit einem Frühstücksbrett ab.
Nun stand nur noch die Kaffeemaschine etwas im Weg. Als ich sie zur Seite rückte, glänzte unter ihr ein großer feuchter Fleck und das Holz darunter war aufgequollen. Offenbar war das alte Ding undicht geworden, ohne dass ich es merkte. Tatsächlich, als ich es über der Spüle schräg hielt ergoss sich ein kleines Rinnsal ins Spülbecken. Also nichts wie weg damit. Das Kabel drum gewickelt und zum Müll gestellt.
Nun endlich konnte ich mich dem Schräubchen widmen, das meine Küche in ein Chaos verwandelt hatte. Nach mehreren Anläufen gelang es Deckel und Schraube so zu halten, dass das Gewinde fasste. Befriedigt dreht ich sie fest, stellte den Kessel auf den Herd und wunderte mich, dass keine Flammen erschien.  Ach ja, der Gasschlauch war ja nicht eingesteckt. Und natürlich war die Aussparung in der Arbeitsplatte so schräg angebracht, dass es ziemlicher Kraftanwendung bedurfte, um ihn senkrecht in die Gassteckdose einzuführen und zu verriegeln.
Während nun das Teewasser heiß wurde, räumte ich das Werkzeug auf und wusch die Hände von Staub, Fett, Rost und Putzmittel. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich, dass Teekochen unter solchen widrigen Umständen anderthalb Stunden dauert, zu unfreiwilligem Putzen und zum Verlust der Kaffeemaschine führt.
Wahrscheinlich ist es sowieso umweltfreundlicher das Kaffeewasser auf dem Gasherd heiß zu machen. Länger als das Mahlen der Bohnen von Hand wird es wohl nicht dauern. Nur das Filtern geschieht nicht mehr ohne mein Zutun. Und Warmhalten tut auch eine Thermoskanne, oder ein Stövchen auf dem Esstisch.
 
 
Notiert am: 12.9.2003